Geschichte erinnern, Geschichte wiederholen, Geschichte differenzieren - mediale Resonanzen von Erbe89
Noch stärker als im letzten Jahr standen unsere Teilprojekte 2020 im Fokus der Öffentlichkeit. Das sehr breite Spektrum der Berichterstattung zeigt zum einen wie die Teilprojekte des Verbundes inhaltlich ineinandergreifen und zum anderen, wie aktuell unsere Forschungsthemen sind. Den Auftakt medialer Resonanzen bildete dabei der 30. Jahrestag der Wiedervereinigung. Hier ist zu beobachten, dass das Erinnern in diesem Jahr nachdenklicher, gegenwartsbezogener ist und stärker überlagert von den Transformationerfahrungen der 1990er Jahre. Diese Ambivalenz "zwischen Aufbruch und Abbruch" thematisierte Alexander Leistner in einem Interview mit dem SPIEGEL. Internationale Beobachter*innen nahmen den Jahrestag zum Anlass, um nach der Gegenwart von 1989 zu fragen und vor allem nach den rechtspopulistischen Aneignungen und Erfolgen. So geschehen in Finnlands größter Tageszeitung, deren Artikel über unser Projekt wir die Erkenntnis verdanken, wie unglaublich lautmalerisch der Begriff "Friedensgebete" auf finnisch klingt: rauhanrukouskokouksista. Die Frage, welche Rolle die Kirchen im Vorfeld der Wiedervereinigung spielte, hat Monika Wohlrab-Sahr in einem Gespräch mit dem SWR beantwortet (ab Minute 21).



Das Gedenken wurde in diesem Jahr zugleich überlagert von den vielfältigen historischen Bezügen auf 1989 und die DDR in den Protesten der letzten Monate gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Dies war zunächst Thema in einem rege zitierten Interview mit Christina Schwarz anlässlich der Veröffentlichung unsere Bestandsaufnahme zu außerschulischer Geschichtsvermittlungen unter den Bedingungen der Pandemie. Gleichzeitig haben wir das Thema im Teilprojekt zu "alltagsweltlichen Demokratieverständnissen" im Rahmen einer Fallstudie zur bundesweiten Querdenkendemonstration am 07.11.2020 in Leipzig aufgegriffen. Die bundesweite Mobilisierung, um auf dem Leipziger Ring die Geschichte von 1989 zu wiederholen, hat Alexander Leistner in einem Artikel und einem Interview für das Neue Deutschland eingeordnet und ausführlicher noch einmal in einem längeren Radiointerview und einem Fernsehbeitrag von MDR Exakt kommentiert. Zu beobachten ist dabei, dass der historische Bezug auf die Friedliche Revolution in diesen (alles andere als friedlichen) Protesten Teil eines besorgniserregenden Radikalisierungsprozesses ist.
So polarisiert die Erinnerung an 1989 in politischen Konflikten unsere Tage ist, so differenziert und ambivalent wird diese Zeit zunehmend innerhalb "populärer Darstellungen von 1989" erzählt. Über solche korrigierende und differenzierende Ambivalenzerzählungen hat Anna Lux in einem ausführlichen Interview mit dem Deutschlandfunk gesprochen. Jonas Brückner diskutierte im Deutschlandfunk Kultur in einem Beitrag über "1989 in Pop und Punk: Wie klingt Musik über die Wende?". Anlass der beiden Interviews war der Launch unserer Homepage http://www.89goespop.de/