Universität Leipzig, Institut für Kulturwissenschaften
Soziologie der außerschulischen Geschichtsvermittlung
Infos zu den Praxiswerkstätten und aktuellen Ergebnissen finden Sie – in chronologischer Reihenfolge – unter Aktuelles
Das Teilprojekt beschäftigt sich mit der außerschulischen Geschichtsvermittlung zu den Thema 1989, Umbruch und Transformation. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass in Bildungsveranstaltungen zu diesen Schwerpunkten kontroverse, zum Teil stark divergierende Geschichtsnarrative verhandelt werden. Vor dem Hintergrund paradoxer Gleichzeitigkeiten von Diktatur- und Revolutionsgedächtnis sowie Erfolgs- und Verlustgeschichte(n) kann es dabei zu Spannungen zwischen Aneignungen auf der Seite der Lernenden und den Vermittlungsabsichten der pädagogisch Tätigen kommen.
Im Projekt werden die Angebote der historisch-politischen Bildung (zum Beispiel in Vereinen, Gedenkstätten, Museen) untersucht. Einer aktuellen Bestandsaufnahme des Angebots folgt die eingehende Analyse einzelner Bildungsveranstaltungen. Die Sampleauswahl orientiert sich an verschiedenen Kriterien, wie der Organisationsform der Träger oder an regionalen Kontrasten. Mit Hilfe teilnehmender Beobachtungen wird rekonstruiert, wie sich die vielfältigen Erwartungen an Bildung in diesem Bereich in die pädagogische Interaktion einschreiben und von Jugendlichen angeeignet oder abgewehrt werden. Die dabei entstehenden Beobachtungsprotokolle dienen als Basis für eine sequenzanalytische Rekonstruktion, die neben anderen Aspekten vor allem kontroverse Aushandlungen fokussiert.
Im Mittelpunkt stehen folgende Forschungsfragen: Welche Inhalte und Demokratieverständnisse werden verhandelt? Inwiefern spiegeln sich die teilweise widersprüchlichen Erwartungen an die Geschichtsvermittlung in den pädagogischen Angeboten und wie werden sie bearbeitet? Wie werden die vermittelnden Inhalte vereindeutigt, differenziert oder aktualisiert? Wie wird Demokratie als Wert vermittelt, ohne dass dessen Evidenz allein über den Kontrast zur DDR als Diktatur hergestellt wird? Wie sensibel ist politisch-historische Bildung für implizite Idealisierungen, Popularisierungen und gegenwärtige Re-Aktualisierungen?
Die Forschungsergebnisse sollen für die Paradoxien einer moralisch-aufgeladenen Pädagogik sensibilisieren, für die mehr oder minder expliziten Missionen von Fachkräften und für typische fachliche Herausforderungen politisch-historischer Bildung.
Eine tragende Säule der Projektes sind zudem Praxiswerkstätten für pädagogisch Tätige der außerschulischen DDR-Bildung. Seit 2019 wird dieses zweitägige Format zwei Mal im Jahr angeboten. Während der Werkstatttage haben die Teilnehmenden nicht nur die Möglichkeit, durch Workshops, Führungen, Vorträge und Gespräche theoretisches Wissen zu erwerben, sondern auch miteinander ins Gespräch zu kommen und die eigene Bildungsarbeit zu reflektieren. Gemeinsam werden neue Themenfelder erschlossen und pädagogische Standards in Bezug auf ihre konkrete Anwendung in den jeweiligen Arbeitskontexten befragt. Es werden pädagogische Spielräume ausgelotet, Workshopmethoden erprobt und Netzwerke geknüpft.
Aktuelle Veröffentlichungen
Schwarz, Christina (i.E.): Zeitzeug*innen in der außerschulischen DDR-Bildung. In: Eckes, Christine/ Leistner, Alexander: „Politische Instrumentalisierung von Geschichtsbildern mit DDR- und Wendebezug. Erfahrungsberichte und Handlungsstrategien". Frankfurt a.M.: Wochenschau Verlag.
Schwarz, Christina (2024): Was nehmen wir mit? Vielstimmigkeit beim Erinnern an die DDR und den Umbruch. In: Abschlussdokumentation des Programms neue unentd_ckte narrative. S.22–23.
Schwarz, Christina (2024): Zwischen den Stühlen – Schule als dominantes Bezugssystem außerschulischer DDR-Vermittlungsarbeit. In: Schwarz, Christina/ Leistner, Alexander (Hrsg.): Past – Present – Progressive. Praxisbuch zur DDR und Nachwendezeit in der außerschulischen Bildung. Weinheim, Basel: Beltz Juventa. S.48–56.
Schwarz, Christina (2024): „Den Wert von Demokratie auch erkennen“ – Demokratievermittlung in der außerschulischen DDR-Bildung. In: Schwarz, Christina/ Leistner, Alexander (Hrsg.): Past – Present – Progressive. Praxisbuch zur DDR und Nachwendezeit in der außerschulischen Bildung. Weinheim, Basel: Beltz Juventa. S.57–71.
Schwarz. Christina (2024): Orientierung und Verunsicherung – Beutelsbacher Konsens und Teilnehmendenorientierung als didaktische Prinzipien in der außerschulischen DDR-Bildung. In: Schwarz, Christina/ Leistner, Alexander (Hrsg.): Past – Present – Progressive. Praxisbuch zur DDR und Nachwendezeit in der außerschulischen Bildung. Weinheim, Basel: Beltz Juventa. S.105–131.
Edda Rohrbach (2024): Das laute Schweigen – eine Annäherung an blinde Flecken, Macht und die Potenziale stummer Gruppen für die historisch-politische Vermittlungsarbeit. In: Schwarz, Christina/Leistner, Alexander (Hrsg.): Past – Present – Progressive. Praxisbuch zur DDR und Nachwendezeit in der außerschulischen Bildung. Weinheim, Basel: Beltz Juventa. S.143– 151.
Schwarz, Christina (2021): Historisch-politische Bildung zu 1989 – Spannungen in einem voraussetzungsvollen Feld. In: Leistner/ Wohlrab-Sahr (Hrsg.): Das umstrittene Erbe von 1989. Köln/Weimar/Wien: Böhlau, S. 333–355.
Hartmann, Greta/ Leistner, Alexander/ Lux, Anna/ Schwarz, Christina (2021): Vom Sichtbarwerden des (Un-)Sichtbaren im Modus des Populären. Popularisierung, Populismus, Geschichtsvermittlung – und 1989. In: Marcus Böick, Constantin Goschler und Ralph Jessen (Hrsg.): Jahrbuch Deutsche Einheit 2021. Berlin: Ch. Links Verlag, S. 31–50.
Schwarz, Christina (2021): 1989 in der historisch-politischen Bildung – Herausforderungen, Chancen und Zukunftsperspektiven. In: Kowalczuk, Ilko-Sascha; Ebert, Frank & Holger Kulick (Hrsg.): (Ost)Deutschlands Weg. 35 weitere Studien, Prognosen und Interviews. Teil II – Gegenwart und Zukunft. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 449–461.